Bei uns ging es ganz normal zu: Großvater saß am Schreibtisch; mein Bruder und ich waren kleine Buben, und wenn uns danach war, sind wir in sein Arbeitszimmer gestürmt, haben ihn am Rockzipfel gezerrt und gerufen: "Großpapa, komm spielen!" Was man von anderen Künstlern vielleicht kennt, diese Atmosphäre: "Ruhe, der Meister komponiert", gab es bei uns nicht.
Mit seinen 65 oder 70 Jahren ist er leicht murrend mit uns hinausgegangen, hat Fußball gespielt oder ist gerodelt – davon gibt es ja auch einen netten kleinen Film, wo wir am Schluss von der Rodel fallen. Nach einer Viertelstunde hat er dann versucht, sich "vom Feind zu lösen", ist in sein Arbeitszimmer zurückgekehrt und hat da weitergemacht, wo er von uns gestört worden ist. Dass er "der große Richard Strauss" war, begriff ich erst in seinen letzten Jahren, da war ich 18 oder 19.
Ich glaube, es gibt kaum einen Komponisten, der seiner Frau so schöne Denkmäler gesetzt hat, die heute noch immer wieder gespielt werden: "Ein Heldenleben", "Sinfonia Domestica und die Oper "Intermezzo", die eine wahre Geschichte aus seinem Eheleben erzählt.
Er sagte zu den Soldaten: "I am the composer of Rosenkavalier and Salome and I hope you feel well here in Garmisch." Einige der Herren wussten wirklich, wer er war. Innerhalb von dreißig Minuten hing ein vom Kommandeur gestempeltes "off limits"-Schild am Zaun. Gott sei Dank ist dieses Haus dadurch vor Besetzung und Plünderung verschont geblieben.
Seine Forderungen an uns waren aber für uns Lausbuben nicht immer leicht zu verkraften. Er hat von uns verlangt, Goethe, Wieland und Shakespeare zu lesen, er war unglaublich gebildet. Jeden Abend saß er in seinem Arbeitszimmer und hat in einem der 32 Bände der Goethe-Gesamtausgabe gelesen, aber auch Geschichtswerke von Ranke, Napoleons Selbstbiographie, Schriften von Gerhart Hauptmann … . Von uns erwartete er das selbe, was wir natürlich nicht leisten konnten.
Mit seinen 65 oder 70 Jahren ist er leicht murrend mit uns hinausgegangen, hat Fußball gespielt oder ist gerodelt – davon gibt es ja auch einen netten kleinen Film, wo wir am Schluss von der Rodel fallen. Nach einer Viertelstunde hat er dann versucht, sich "vom Feind zu lösen", ist in sein Arbeitszimmer zurückgekehrt und hat da weitergemacht, wo er von uns gestört worden ist. Dass er "der große Richard Strauss" war, begriff ich erst in seinen letzten Jahren, da war ich 18 oder 19.
Die Großmama als starke Frau hinter Strauss
Diese Beziehung wird heute noch gerne verkannt und spitze Bemerkungen à la "Xanthippe" auf die Großmama gemünzt. Sie war sicher sehr schwierig und exaltiert. Aber aus den etwa 1.500 Briefen, die einander die beiden geschrieben haben, lässt sich erkennen: Ohne sie hätte Strauss nicht einmal ein Drittel von dem leisten können, was er geleistet hat.Ich glaube, es gibt kaum einen Komponisten, der seiner Frau so schöne Denkmäler gesetzt hat, die heute noch immer wieder gespielt werden: "Ein Heldenleben", "Sinfonia Domestica und die Oper "Intermezzo", die eine wahre Geschichte aus seinem Eheleben erzählt.
Ruhm schützte vor der US-Besatzung
Er war ein Mann von 81 Jahren, das Garmischer Haus war nicht mehr zu heizen, Großmama kränkelte. Eines Morgens sah ich die Besetzungstruppen im Garten und rief ihn aus seinem Arbeitszimmer: "Die Amerikaner wollen das Haus beschlagnahmen!" Er sagte: "Das werden wir schon sehen", und ging hinaus, bewaffnet mit Ehrenbürgerschaften und Ehrendoktoren von New York, Michigan, Connecticut usw.Er sagte zu den Soldaten: "I am the composer of Rosenkavalier and Salome and I hope you feel well here in Garmisch." Einige der Herren wussten wirklich, wer er war. Innerhalb von dreißig Minuten hing ein vom Kommandeur gestempeltes "off limits"-Schild am Zaun. Gott sei Dank ist dieses Haus dadurch vor Besetzung und Plünderung verschont geblieben.
Hohe Ansprüche an die Enkel
Als mein Bruder und ich noch klein waren, hat er uns die großen Opern, "Ring des Nibelungen", "Figaro" usw. als Märchen erzählt und hat versucht, uns die Liebe zu dem Meisterwerken ins Herz zu pflanzen.Seine Forderungen an uns waren aber für uns Lausbuben nicht immer leicht zu verkraften. Er hat von uns verlangt, Goethe, Wieland und Shakespeare zu lesen, er war unglaublich gebildet. Jeden Abend saß er in seinem Arbeitszimmer und hat in einem der 32 Bände der Goethe-Gesamtausgabe gelesen, aber auch Geschichtswerke von Ranke, Napoleons Selbstbiographie, Schriften von Gerhart Hauptmann … . Von uns erwartete er das selbe, was wir natürlich nicht leisten konnten.
Großvater Strauss widmet sich der Erziehung seiner Enkel oft.
Geregelter Tagesablauf im Hause Strauss
Sein Tag ist immer gleich abgelaufen: Gegen neun Uhr hat er in seinem Schlafzimmer gefrühstückt, da hat ihm unsere treue Anni einen Kaffee und eine geschmierte Semmel hinaufgebracht.Als er alt war, habe ich ihn in der Früh immer mit einem neuen elektrischen Rasierapparat rasiert und ihm den Rücken mit Franzbranntwein eingerieben. Dann ist er hinuntergegangen in sein Arbeitszimmer und hat bis 12 Uhr gearbeitet, dann kam die Großmama, mit der er – bei jedem Wetter, auch wenn es gestürmt oder geschneit hat – eine Dreiviertelstunde spazieren ging.
Zum Mittagessen mit geputzten Fingernägeln
Um 13 Uhr war Mittagessen – eine heilige Handlung, mein Bruder und ich saßen stets um fünf vor eins mit geputzten Fingernägeln am Tisch. Nach dem Essen hat er sich für eine halbe Stunde auf dem Sofa in seinem Arbeitszimmer ausgeruht, und gegen drei saß er wieder am Schreibtisch.Gegen sechs holte ihn wieder die Großmama zum spazieren gehen ab, um sieben gab’s Abendessen, und danach wurde gelesen oder man hat sich unterhalten.
"Freizeit" hatte er so gut wie keine. Aber er ist gerne gereist, und das waren Kulturreisen. Wenn er in Paris auf Konzertreise war, stand er schon um neun Uhr im Louvre, in Wien im Kunsthistorischen, in London in der Tate Gallery usw. Er konnte einfach nicht müßig sein.
Richard Strauss, geboren am 1. November 1927 in Wien, gestorben am 2. Juni 2007 war der ältere Sohn von Richard Strauss’ Sohn Franz und dessen Frau Alice. Als ausgebildeter Opernregisseur widmete er sich der Pflege und der Verwaltung des Werkes seines Großvaters, unterstützt von seiner Frau Gabriele, der Tochter des Star-Baritons Hans Hotter.
(Quelle: "Richard Strauss – ein Besuch in seiner Villa" – Video, September 1999)