Geboren in eine Künstlerfamilie

Am 11. Juni 1864 wird Richard Georg Strauss als erstes Kind des Musikers Franz Joseph Strauss und seiner Frau Josepha, die aus der Bierbrauer-Dynastie Pschorr stammt, in München geboren. Schon als Sechsjähriger komponiert er seine ersten Stücke, bis zu seinem 18. Geburtstag schafft er etwa 140 Stücke. Sein „Opus 1“, der „Festmarsch für großes Orchester“, erscheint 1881.
Richard Strauss’ Vater, Franz Joseph Strauss (1822-1905), hat sich durch sein musikalisches Talent aus elenden Verhältnissen emporgearbeitet. Seit 1847 Mitglied des Münchner Hofopernorchesters, gilt er als einer der besten Waldhornisten seiner Zeit. 1863 heiratet er Josepha Pschorr (1838-1910) aus der wohlhabenden Münchener Bierbrauerfamilie Pschorr.
 
Das Paar zieht ins Münchener Pschorr-Haus, wo am 11. Juni 1864 der Sohn Richard Georg Strauss zur Welt kommt. 1867 wird die Tochter Berta Johanna geboren.
Die Mutter ist musisch und sensibel, der Vater dominant, eine selbstbewusste Musikerpersönlichkeit. Er wird den Sohn zu Fleiß und Sparsamkeit erziehen, ihm genaue musikalische Kenntnisse und Liebe zu den Klassikern mitgeben: "Sein musikalisches Glaubensbekenntnis galt der Trinität Mozart (über alles), Haydn, Beethoven." Andererseits verabscheut Franz Joseph Strauss die Werke Richard Wagners. Trotzdem spielt er vollendet die komplizierten Horn-Stimmen in den Uraufführungen u. a. von "Tristan", "Meistersinger" und "Siegfried".
 
Im Hause Strauss musiziert man im großen Familienkreis; mit viereinhalb Jahren erhält Richard Klavierunterricht, mit sechs komponiert er erste Stücke und "Weihnachtslied" – die Mutter muss den Text dazu aufschreiben, da Richard nur Musik notieren kann ...
 
"Von meiner ersten Jugend berichtet meine Mutter, dass ich auf den Klang eines Waldhorns mit Lächeln, auf den Ton einer Geige mit heftigem Weinen reagierte."
 

Kompositionsunterricht während der Gymnasialzeit

Der Sechsjährige tritt in die Domschule ein, die Mittelschulzeit absolviert er im Ludwigs-Gymnasium. Ein Lehrer urteilt über den Zwölfjährigen: "Ein Schüler von herrlichen Anlagen, anständiger Gesinnung und gutem Betragen; lebhaft, eifrig, aufmerksam, manchmal allzu rasch und flüchtig." Bis zu seinem 18. Lebensjahr schafft Strauss etwa 140 Stücke, darunter knapp 60 Lieder und über 40 Klavierwerke.

So entsteht 1880 ein Chor nach der "Elektra" des Sophokles, 1882 das in ein Schulheft notierte Violinkonzert (op. 8). Der Geigenlehrer (und Onkel zweiten Grades) Benno Walter wird es beim ersten gemeinsamen Wien-Besuch 1883 mit Strauss am Klavier uraufführen. Während der Gymnasialzeit erhält Richard auch seinen ersten und einzigen Kompositionsunterricht und spielt im von seinem Vater geleiteten Orchesterverein "Wilde Gung’l" mit, der mehrere Kompositionen von ihm aufführt. 1881 beginnt die "offizielle Karriere": sein opus 1, der "Festmarsch für großes Orchester", erscheint. Und etwa zur selben Zeit entdeckt er eine neue Welt: Richard Wagner.
Schon früh wird aus Richard ein selbstbewusster Musiker.

Der Heranwachsende entdeckt Wagner

"... ich erinnere mich noch sehr wohl daran, wie ich, etwa 17-jährig, gleichsam wie im Fieber, die Partiturseiten des ‚Tristan’ verschlang und in einen Rausch der Begeisterung geriet ..." Unter dem Einfluss seines Vaters hat der Knabe Richard Strauss die Musik Wagners noch gegeißelt ("sogar Felsen wären aus Angst vor diesen scheußlichen Mißtönen zu Eierspeisen geworden"), der Heranwachsende jedoch studiert und erkennt das Genie und besucht 1882 erstmals die Bayreuther Festspiele. 1894 wird er dort als Dirigent debütieren; seine in dem selben Jahr uraufgeführte Erstlingsoper "Guntram" steht noch stark unter dem Einfluss des Bayreuther Meisters, von dem er sich jedoch bald freimachen wird.

Karrierestart als Hofmusikdirektor in Meiningen

In Meiningen sind Richard Strauss’ Werke bereits bekannt, als er als 21-Jähriger auf Vermittlung seines Mentors, dem bedeutenden Wagner-Dirigenten Hans von Bülow, dortiger Musikdirektor wird. Ein Jahr später, 1886, wechselt der junge Musiker als 3. Kapellmeister an die Münchener Hofoper. Inspiriert von der Literatur und seiner Italienreise, aber auch vom Komponisten Franz Liszt widmet sich Strauss in dieser Zeit sehr stark der sinfonischen Dichtung und erreicht den Höhepunkt seiner Instrumentationskunst.
1883, im Todesjahr Wagners, nimmt einer der bedeutendsten (Wagner)-Dirigenten seiner Zeit, Hans von Bülow, den jungen Komponisten unter seine Fittiche. In seinem Auftrag schreibt Strauss nicht nur die Bläsersuite op. 4, er leitet sie auch bei seinem ersten öffentlichen Dirigentenauftritt in München (1884). Im Jahr darauf wird Strauss über Vermittlung Bülows Musikdirektor in Meiningen, wo er sein Verständnis für Wagner (aber auch für Liszt und Bruckner) vertiefen wird: die Freundschaft mit dem Komponisten und Geiger Alexander Ritter, dem Ehemann von Wagners Nichte Franziska, gibt "den entscheidenden Ausschlag für meine künftige Entwicklung".
 
Seine Werke sind in Meiningen bereits bekannt, als der 21-jährige Richard Strauss im Oktober 1885 dort das Amt des Hofmusikdirektors antritt. Bülow hat die Meininger Kapelle zu einem ausgezeichneten Klangkörper geformt; Strauss obliegt es, Proben und Konzerte des Orchesters wie des Chorvereins zu leiten, der Prinzessin Marie von Sachsen-Meiningen Musikunterricht zu erteilen und auch als Pianist aufzutreten (Bülow: "Wenn Sie nicht was Besseres wären, könnten Sie auch Klavierspieler sein"). Strauss eignet sich unschätzbare praktische Kenntnisse an – nicht nur als Musiker: er hat auch das Skatspiel gelernt.
 

Vorbild Franz Liszt: Erste Tondichtungen

Strauss verlässt Meiningen im April 1886 in Richtung seiner Heimatstadt München, wo er dritter Kapellmeister an der Hofoper wird und sein Repertoire weiter vertieft. Allerdings auch seine Abneigung gegen München, "das nicht der Boden ist, wo ein erfreuliches Musikleben gedeihen kann".
 
In den Jahren 1885 bis 1889 entstehen u. a. zahlreiche Lieder, Chorwerke, die "Burleske" für Klavier (Eugen d’Albert wird sie 1890 uraufführen), und, als Frucht seiner ersten Italienreise, die sinfonische Fantasie "Aus Italien", weiters "Macbeth" und "Don Juan" – Strauss’ erste sinfonische Dichtungen.

Dank dem Mentor Alexander Ritter hat sich Strauss das Grundprinzip der sinfonischen Werke von Franz Liszt zu eigen gemacht, "in denen die poetische Idee zugleich auch das formbildende Element ist". Allerdings darf sich die Musik nicht der Dichtung, die sie inspiriert, unterordnen, denn wo sich "die Musik nicht logisch aus sich selbst entwickelt, wird sie ‚Literaturmusik’ ...".
Eines der seltenen Portraits aus der frühen Zeit: Richard 1890.
Auf dem Höhepunkt der Instrumentationskunst 1886 stirbt Liszt – und Strauss komponiert "Aus Italien". Die "sinfonische Phantasie" weist noch die viersätzige Form auf, ihre tonmalerischen Wirkungen und Satztitel (z. B. "Neapolitanisches Volksleben") lassen sie als Strauss’ erste sinfonische Dichtung gelten. Bis 1903, also knapp vor seinem ersten Operntriumph, folgen acht weitere, nun einsätzige Tondichtungen: "Macbeth" (1886) nach Shakespeares Drama, "Don Juan" (1888) nach Nikolaus Lenau, "Tod und Verklärung" (1889) nach eigenem programmatischen Entwurf, "Till Eulenspiegels lustige Streiche" (1895), "Also sprach Zarathustra" (1896) nach Friedrich Nietzsche, "Don Quixote" (1897) nach Cervantes, "Ein Heldenleben" (1898) und "Sinfonia domestica" (1903), beide mit starken autobiografischen Bezügen. Nach längerer Pause entsteht 1915 das letzte Werk dieser Gattung, "Eine Alpensinfonie". Mit ihr erreicht Strauss einen Gipfel seiner Instrumentationskunst.

Wachsender Ruhm und Hochzeit mit Pauline

1889 zieht Strauss nach Weimar, wo er bis 1894 als 2. Kapellmeister angestellt ist und sich großen Herausforderungen als Dirigent stellt. Sein Ruhm als Komponist wächst mit den Uraufführungen von „Don Juan“, „Tod und Verklärung“ und „Macbeth“. Seine erste Oper, „Guntram“, erntet zwar nur einen kurzen Achtungserfolg, jedoch schafft er in dieser Zeit zahlreiche Lieder, nicht zuletzt für seine Braut. Denn privat stellen sich für Strauss die Weichen: 1894 heiratet er die Sopranistin Pauline de Ahna.
Ab Oktober 1889 ist Strauss bis 1894 als zweiter Kapellmeister in der Goethestadt Weimar engagiert. Dort erwarten ihn verantwortungsvolle Dirigieraufgaben (mit nicht immer ausreichend starkem Orchester leitet er "Tannhäuser", "Lohengrin" und "Tristan"), er bringt knapp nach Amtsantritt seinen "Don Juan" zur Uraufführung. Sein Ruhm als Komponist wächst mit den Uraufführungen von "Tod und Verklärung" (Eduard Hanslick: "Die Art seines Talentes weist den Komponisten eigentlich auf den Weg des Musikdramas") und "Macbeth", seine Bekanntheit als Komponist mit seiner ersten musikalischen Assistenz in Bayreuth und seinem Debüt mit den Berliner Philharmonikern (1890).
 
Eine Lungenentzündung heilt er Ende 1892 auf einer ausgedehnten Reise durch Griechenland und Ägypten aus, wo er auch seine erste Oper konzipiert. "Kompositorisch war außer ‚Guntram’ und ein paar guten Liedern (‚Cäcilie’, ‚Heimliche Aufforderung’) die Weimarer Zeit nicht sehr ergiebig, da das Theater und Kartenspielen, außer meiner Braut, mich fast ganz in Anspruch nahmen."
 

Komposition der ersten Oper und Hochzeit mit Pauline

Die beiden herausragenden Ereignisse der Weimarer Zeit sind eng miteinander verknüpft: Die erste Oper und die Eheschließung mit Pauline de Ahna. 1887 hat Richard Strauss die Tochter eines bayerischen Generals kennen gelernt und als Schülerin aufgenommen. Sie ist talentiert und liebenswürdig, bisweilen aber auch launisch. 1889 folgt sie ihrem Meister nach Weimar und macht eine beachtliche Karriere im Sopranfach. Sie singt, oftmals unter Strauss’ Leitung, Rollen des Mozart- und Wagner-Faches bis hin zur Isolde, gastiert in Bayreuth und verkörpert den Hänsel in der Weimarer Uraufführung von Engelbert Humperdincks Märchenoper "Hänsel und Gretel". Auch in der ersten Strauss-Oper kreiert sie die weibliche Hauptrolle, die Freihild in "Guntram".
 
Die Probenarbeit verheißt wenig Gutes für das Werk: Orchester und Tenor fühlen sich von der monumentalen Partitur überfordert, Pauline, die ihren Part einwandfrei beherrscht, schleudert in der angespannten Atmosphäre ihren Klavierauszug nach dem dirigierenden Komponisten. Doch aus der Arbeits- ist längst eine Liebesbeziehung geworden: Knapp vor der "Guntram"-Uraufführung in Weimar (12. Mai 1894), wird Verlobung gehalten, am 10. September geheiratet. Dem "Guntram" ist nur ein kurzlebiger Achtungserfolg beschieden – die Ehe hält ein Leben lang.

Die Liebe zwischen Pauline und Richard hält ein Leben lang.

Gefeiert als Liedkomponist und Klavierbegleiter

Seiner Braut widmet Richard Strauss 1894 die "Vier Lieder" op. 27 ("Heimliche Aufforderung", "Morgen" u.a.), die auch seinen Ruhm als Liedkomponist begründen. Nach ersten kindlichen Versuchen hat erstmals das op. 10 (1885) "Acht Lieder" (darunter "Zueignung") zusammengefasst. Und bis ins hohe Alter wird sich Strauss in dieser Gattung auszeichnen.
 
Bis zu seinen großen Opernerfolgen schafft der geborene Vokalkomponist regelmäßig Lieder, sozusagen als künstlerische Abwechslung zu den sinfonischen Dichtungen und anderen Instrumentalstücken: So op. 29 (u. a. "Traum durch die Dämmerung"), 32 (u. a. "Ich trage meine Minne") oder 37 (u. a. "Glückes genug"). Zwischen "Salome" (1905) und "Die Frau ohne Schatten" (1917) schweigt der Liedkomponist; der "Krämerspiegel" (op. 66), ein scharfes Pamphlet gegen die Verleger, nach Texten von Alfred Kerr, leitet 1918 wieder eine Serie vokaler Kammerkompositionen ein. "Vier letzte Lieder" (1947) gelten als letzter Höhepunkt der Gattung. Das späte Lied "Malven" hält die Widmungsträgerin Maria Jeritza bis zu ihrem Tode unter Verschluss; es wird erst 1985 uraufgeführt.
 
Zeitlebens ist Strauss auch ein gefeierter Klavierbegleiter seiner Lieder – mit Sängerinnen und Sängern wie Pauline Strauss-de Ahna, Franz Steiner, Elisabeth Schumann und Hans Hotter.
 
Der Freund Bülow stirbt im Februar 1894, von ihm übernimmt Strauss vorübergehend die Konzerte der Berliner Philharmoniker, was in einigen Jahren Früchte tragen wird.
Richard Strauss – der Privatmann und Familienmensch

Welterfolge mit sinfonischen Dichtungen

Als erster Kapellmeister geht Strauss 1894 nach München, wo 1897 sein Sohn Franz geboren wird. Bis 1898 gelingen ihm Tondichtungen wie „Also sprach Zarathustra“, die endgültig seinen Weltruhm begründen. Doch den Job als Münchener Generalmusikdirektor bekommt Strauss dennoch nicht. Er reagiert auf seine Art: Er geht nach Berlin und komponiert eine Sinfonie auf sich selbst, die „Sinfonica domestica“.
Von Weimar, wo er sich "durch jugendliches Draufgängertum und Übertreibungen manche Sympathie verscherzt" hat, nimmt er in demselben Jahr Abschied und geht als erster Kapellmeister nach München, wo "Guntram" nach nur einer Vorstellung abgesetzt wird. Strauss hat in seinen Tagesgeschäften abermals unter Engstirnigkeit, Bürokratie und unter der Unverlässlichkeit des Intendanten Ernst von Possart zu leiden.
 
Andererseits gelingen in den Münchner Jahren bis 1898 Kompositionen, die ihn endgültig weltberühmt machen, so die sinfonischen Dichtungen "Till Eulenspiegel", "Also sprach Zarathustra" und "Don Quixote". Zahlreiche Gastspielreisen steigern den Ruhm des Dirigenten und Komponisten Strauss. Und auch im Privaten ist ihm das Glück hold: Am 12. April 1897 wird sein Sohn Franz geboren.
 

Aus Enttäuschung nach Berlin

Als der Münchner Generalmusikdirektor Herrmann Levi 1896 in Pension geht, bestimmt Possart nicht Strauss zum Nachfolger, sondern versucht Felix von Weingartner für den Posten zu gewinnen. Enttäuscht wendet sich Strauss ein weiteres Mal von der Vaterstadt ab – und der Hauptstadt zu: "… da ergriff ich, da Weingartner in Berlin retirierte, die Gelegenheit […] und hatte niemals Grund, diese Beziehungen zu Berlin zu bedauern".
 
"Ich sehe nicht ein, warum ich keine Sinfonie auf mich selbst machen sollte. Ich finde mich ebenso interessant wie Napoleon oder Alexander.” Aussprüche dieser Art vereinen das Selbstbewusstsein des Genies mit trocken-direktem bayerischen Humor – eine nicht leicht verdauliche Mischung, die Strauss zu eigen ist.

Mit Sohn Franz ist die junge Familie komplett.

1904 Amerika-Gastspiel mit Pauline

Das Werk, von dem hier die Rede ist, die "Sinfonia domestica”, gewidmet "meiner lieben Frau und unserem Jungen”, bringt Strauss 1904 im Rahmen eines ausgedehnten Amerika-Gastspiels in New York zur Uraufführung. Pauline brilliert nochmals als Interpretin der Lieder von Richard Strauss. Bald wird sie sich von der Kunst zurückziehen und sich "nur” mehr dem Haushalt und der Erziehung des Sohnes Franz widmen. Resolut und launisch, putzsüchtig und ordnungsfanatisch, hat sie oft Anlass zu Kritik oder gar Spott gegeben – für Strauss jedoch ist sie die geliebte, unentbehrliche Lebenspartnerin, die sein Schaffen erst ermöglicht.

Berliner Zeit, die Zeit von „Salome“ und „Elektra“

Mit der 1905 in Dresden uraufgeführten „Salome“ schafft Strauss den Inbegriff moderner Opernmusik - für Anhänger ebenso wie für Verächter. Die Pole Begeisterung und Ablehnung spitzen sich in der „Elektra“, der ersten Arbeit mit „seinem“ Dichter Hugo von Hofmannsthal, noch weiter zu. Doch war die Oper ein Erfolg, denn der Komponist kann von den Einnahmen die Villa in Garmisch errichten lassen, die zum Familiensitz wird.
Der Vater bleibt ihm bis zum Schluss ein wacher, oft skeptischer Ratgeber. Ob die "Domestica” auch so monumental sei wie die 1903 komponierte Chorballade auf einen Text von Uhland, will er wissen: "Instrumentierst du sie auch so stark wie den ‘Taillefer’? – Im Hause (Domus) darf man keinen Lärm machen!” Im Mai 1905 stirbt Franz Strauss, ohne die von seinem Sohn in demselben Jahr ausgelöste "Opernrevolution” zu erleben.
 

Fasziniert von Oscar Wildes Text „Salome“

"… jetzt, nachdem der Tanz und besonders die ganze Schlußszene in Musik getaucht ist, ist es kein Kunststück zu erklären, das Stück ‚schriee nach Musik‘. Jawohl, aber sehen muss man es!" Strauss erkennt die Operntauglichkeit von Oscar Wildes "Salome" sofort und komponiert die deutsche Übersetzung, ohne einen Librettisten zu bemühen.
 
Die "Salome" geht am 9. Dezember 1905 in Dresden (Strauss' bevorzugtem Uraufführungsort) erstmals über die Bühne und gilt sofort als Inbegriff moderner Opernmusik – für die Anhänger ebenso wie für die Verächter, zu denen Zensur und Klerus zählen. In Wien etwa gelangt das bahnbrechende Werk erst 1918 auf den Hofopern-Spielplan.
 

Beginn der Arbeit mit Hugo von Hofmannsthal

1906 findet Strauss "seinen" Dichter: den Wiener Hugo von Hofmannsthal. Zunächst wird dessen "Elektra" für das Musiktheater adaptiert. Straussens "Wunsch, dieses dämonische, ekstatische Griechentum des 6. Jahrhunderts Winkelmannschen Römerkopien und Goethescher Humanität entgegenzustellen", schafft eine noch radikalere Oper als die vorangegangene. Am 25. Januar 1909 wird "Elektra" (abermals in Dresden) uraufgeführt, stürmischer denn je prallen Begeisterung und Ablehnung aufeinander.
 
Der Komponist wird sich nie mehr so weit über die Grenzen der Tonalität hinauswagen. Und wenn er sich wieder antiken Opernstoffen zuwendet, dann im Geiste Winkelmanns und Goethes.

Die Villa in Garmisch finanziert Richard mit den Einnahmen aus „Salome“.


„Salome“: Lukrativer „Schaden“

Der bekannt unmusikalische Kaiser Wilhelm II. meint besorgt, mit der "Salome" hätte sich Strauss sehr geschadet. Dieser kann trocken replizieren, mit diesem "Schaden" habe er sich die Villa in Garmisch finanziert. Als Sommerresidenz geplant und von dem Münchner Architekten Emanuel von Seidl 1908 erbaut, wird Garmisch bald zum Hauptwohnsitz der Familie Strauss.
Einblick ins private Familienalbum

„Rosenkavalier“ als immenser Publikumserfolg

Dass Strauss nun ein „gesettelter“ Familienvater ist, wie man heute sagen würde, hört man auch in seinen Werken: Mit dem „Rosenkavalier“ (1911) tritt er das Erbe seines Namensvetters (Johann) Strauss an, „Ariadne“ (1912) kürzt er 1916 zu einer publikumsverträglichen Fassung. Strauss und Hofmannsthal gelten schon als Wunderteam, nun kommt auch noch der Regisseur Max Reinhardt hinzu, der für wirkungsvolle Inszenierungen sorgt.
1910 stirbt die Mutter Johanna Strauss – die übersensible Frau hat die letzten Jahre ihres Lebens in ärztlicher Behandlung zugebracht.
 

Nächtelanges Kartenspiel als Ausgleich zur Musik

Hat Richard Strauss die "Salome" noch großteils bei den Schwiegereltern in Marquartstein komponiert, so ist er jetzt Herr im eigenen Haus – das genau genommen von der "Herrin" Pauline kontrolliert wird. Ihr Gatte widmet sich dem Komponieren, seinen Berliner Pflichten (1908 übernimmt er von Weingartner die Berliner Philharmonischen Konzerte) und in seiner Freizeit gar zu gerne dem Skat. Die oft belächelte "Marotte" des Genies, Nächte am Kartentisch zuzubringen, hat Strauss als notwendige Rekreation erklärt: überall höre er Musik, nur die Spielkarten schweigen …
 
Auch die gefestigten sozialen und familiären Verhältnisse mögen dazu beitragen, dass der "Neutöner" von einst, der Umstürzler der "Salome" und "Elektra", nun umkehrt: Freund Hofmannsthal arbeitet bereits an "unserem Figaro" …
 

Großer Publikumserfolg mit dem „Rosenkavalier“

1899 ist der "Walzerkönig" Johann Strauß verstorben. Mit dem "Rosenkavalier", tritt der – nicht verwandte – Bayer sein Erbe an. Von manchen Kritikern einer "unheiligen Allianz mit der Operette" bezichtigt, landet das im Wien Maria Theresias angesiedelte Werk einen immensen Publikumserfolg. Das Autorenduo Strauss–Hofmannsthal wird bei der Dresdner Uraufführung (26. Januar 1911) zum "Wunderteam" ergänzt: durch den Bühnenbildner Alfred Roller und den Regisseur Max Reinhardt, der die Inszenierung rettet, ohne auf dem Programmzettel aufzuscheinen.
Mit zunehmendem Alter geht Richard mehr auf den Publikumsgeschmack ein.


Überlange „Ariadne“ beim Publikum abgeblitzt

Dafür wird ihm die nächste Oper gewidmet: "Ariadne auf Naxos, zu spielen nach dem Bürger als Edelmann des Molière" ist ein reizvoller Versuch, Schauspiel und Oper auf einen Nenner zu bringen. Die am 25. Oktober 1912 in Stuttgart unter Reinhardts Leitung uraufgeführte überlange Fassung hält sich jedoch nicht, weil man "für den hübschen Zwitter kein kulturelles Verständnis" aufzubringen vermag. Am 4. Oktober 1916 wird die revidierte "Ariadne", mit einem auskomponierten Vorspiel, als erste Wiener Opernuraufführung einem begeisterten Publikum präsentiert. Die Titelheldin ist (wie bereits 1912) Maria Jeritza, eine Lieblingsinterpretin des Komponisten.
 
Das Ballett "Josephs Legende" ist 1914 die letzte Strauss-Premiere zu Friedenszeiten. Der anhebende Weltenbrand wird auch Richard Strauss nicht verschonen …

Im Ersten Weltkrieg alles verloren

Als Strauss’ beträchtliches Vermögen während des Ersten Weltkriegs als „Feindvermögen“ konfisziert wird, zeigt sich der Wert seiner Musik: 1916 stellt er die „Frau ohne Schatten“ fertig, im letzten Kriegsjahr komponiert er mit dem „Krämerspiegel“ wieder Lieder. Ab 1919 als Wiener Staatsoperndirektor engagiert, verschreibt er sich dem Kampf gegen ein „Opernmuseum“ und bringt dem Opernhaus neue, große Inszenierungen.
Zum 50. Geburtstag im Juni 1914 erhält Richard Strauss unter anderem seinen zweiten Ehrendoktor (von der Universität Oxford) und die Ehrenbürgerschaft von München. Am Ende des Krieges wird er seinen Abschied als Generalmusikdirektor der Berliner Oper nehmen, zu deren interimistischen Generalintendanten er kurzzeitig bestellt wird.
 
Im letzten Kriegsjahr wendet sich Strauss auch wieder der Liedkomposition zu: Auf Texte von Alfred Kerr – scharfzüngige Abrechnungen mit den Musikverlegern – komponiert er den „Krämerspiegel".
 

Märchenoper: „Frau ohne Schatten“ - das „Schmerzenskind“

Ab Jahresende 1910, also noch vor der Uraufführung des "Rosenkavalier", begann in Hofmannsthal die Idee einer Märchenoper zu reifen; erst 1916 vollendet Strauss die Komposition, und erst weitere drei Jahre später findet die Uraufführung der "Frau ohne Schatten" statt. "Das Schmerzenskind wurde in Kummer und Sorgen während des Krieges vollendet. Sie haben der Partitur […] eine gewisse nervöse Überreiztheit eingetragen …"
 
Der Kummer ist berechtigt: Sein bis dahin erarbeitetes beachtliches Vermögen hat der Komponist bei der Bank von England deponiert – es wird als "Feindvermögen" konfisziert … "Die Frau ohne Schatten" aber, die "letzte romantische Oper", wie der Komponist sie einmal nennt, erweist sich als wertbeständig. Ihre Uraufführung ist gleichsam das Vorspiel seines fünfjährigen Wirkens als künstlerischer Oberleiter der Wiener Oper.


Ab 1919 künstlerischer Oberleiter der Wiener Oper

Das oft kolportierte Scherzwort, falsch seien die Leute überall, aber die Wiener seien "so angenehm falsch", kann Strauss ab Dezember 1919 aus nächster Nähe überprüfen. Seit 1895 als Konzert-, seit 1910 als Operndirigent wiederholt in der Donaumetropole tätig, kennt Strauss die Stadt, trägt aber nun erstmals Verantwortung – gemeinsam mit Direktor Franz Schalk. Der Vorkämpfer für Strauss' Opern wandelt seine bedingungslose Hingabe an den Meister innerhalb weniger Jahre zu kritischer Distanz.
Im Ersten Weltkrieg verliert Richard alles, nur die Villa in Garmisch bleibt ihm.
Trotz mehrerer Direktionskrisen (die durch die allgemeine Wirtschaftskrise noch verschärft werden) sind die Jahre 1919–1924 eine künstlerisch reiche Zeit für die Staatsoper. Strauss setzt sich nicht nur für eigene Werke ein (das Ballett "Josephs Legende" wird 1922, "Der Bürger als Edelmann" 1924 im neu hinzugewonnenen Redoutensaal erstaufgeführt), sondern auch insbesondere für jene Wagners (dem "Lohengrin" im Januar 1920 gilt Straussens erste Neueinstudierung) und Mozarts ("Così fan tutte" hat er dem Repertoire wiedergegeben).
 
Andererseits muss er als erster Direktor erkennen, dass kaum mehr erfolgreiche Opern geschrieben werden – die Konsequenzen wird er in seinen oft missverstandenen Gedanken eines "Opernmuseums" ziehen …

Salzburger Festspiele für ein neues Selbstwertgefühl

Der Tristesse der Nachkriegszeit wollen Strauss und Hofmannsthal die Schönheit der Kultur entgegenstellen. Gemeinsam mit Reinhardt und dem Bühnenbildner Alfred Roller gründen sie 1920 die Salzburger Festspiele. Auf Tourneen in die USA und nach Südamerika bringt Strauss seine Musik in die Welt, während sich die Familie in Wien verankert. Sohn Franz heiratet 1924 die Tochter eines Wiener jüdischen Industriellen, eine neue Villa wird gebaut und Strauss wird Ehrenbürger der Stadt Wien. Doch im selben Jahr demissioniert er als Staatsoperndirektor und verlässt die Stadt nicht ohne Groll.
Mitten im Kriege nimmt ein "Künstlertraum" der kreativen Partner Strauss und Hofmannsthal Gestalt an: Gemeinsam mit Max Reinhardt und Alfred Roller werden sie zu den künstlerischen Leitfiguren der Salzburger Festspiele. Ihre Absicht ist es, dem nach dem Krieg darniederliegenden Europa im allgemeinen und dem schmerzhaft geschrumpften Österreich im besonderen durch ein Festspiel von internationaler Ausstrahlung neues Selbstwertgefühl zu schenken. 1920 gilt als das Gründungsjahr, in dem zunächst nur Hugo von Hofmannsthals "Jedermann" auf dem Programm steht.
 

Strauss nach Mozart meistgespielter Komponist

Die erste Opernaufführung, Mozarts "Don Juan" am 14. August 1922, leitet der Staatsoperndirektor Richard Strauss. Insgesamt tritt Strauss zwischen 1922 und 1943 sechzehnmal als Dirigent bei den Salzburger Festspielen in Erscheinung, davon neunmal in der Oper und siebenmal mit Orchesterkonzerten.
 
Die Opern von Richard Strauss gehören (in der Rangordnung nach jenen Mozarts und vor jenen Verdis) in der über 80-jährigen Festspielgeschichte zu den am meisten aufgeführten, wobei "Ariadne auf Naxos" an der Spitze liegt. "Die Liebe der Danae" steht 2002, 50 Jahre nach ihrer Salzburger Uraufführung, auf dem Plan – der öffentlichen Generalprobe 1944, knapp vor der kriegsbedingten Theatersperre, hat Strauss noch beigewohnt.
 

Tourneen in die Neue Welt

Einer der Hauptkritikpunkte an Strauss' Wiener Amtsführung ist … die Nichtführung des Amtes durch häufige Abwesenheiten. Allerdings sind diese vertraglich fixiert und dienen dem Wiederaufbau seines Vermögens ebenso wie der Werbung für die Wiener Staatsoper.
1920 reist er erstmals nach Südamerika (1923 ein weiteres Mal mit den Wiener Philharmonikern), im Herbst 1921 ein zweites Mal in die USA.
 
Andererseits verankert sich die Familie mehr und mehr in Wien: Franz heiratet im Januar 1924 Alice, die Tochter des jüdischen Industriellen Emanuel von Grab, Strauss widmet dem jungen Paar das "Hochzeitspräludium". Und baut einen weiteren Wohnsitz: die Strauss-Villa in der Jaquingasse, wo Sohn und Schwiegertochter nach der Fertigstellung 1925 einziehen.
Richard ist einer der Mitbegründer der Salzburger Festspiele.

Partituren gegen Grundstück

Die Wiener Strauss-Villa ist – entgegen immer noch auftauchenden Gerüchten, der Staat hätte Strauss das Grundstück "geschenkt" – eines der am teuersten abgegoltenen Objekte der Immobiliengeschichte: Neben den selbst finanzierten Baukosten überlässt Strauss der Republik Österreich für die Erbpacht die handschriftliche Partitur des "Rosenkavalier", der Stadt Wien jene des Balletts "Schlagobers", das zu seinem 60. Geburtstag an der Staatsoper uraufgeführt wird. Zahlreiche Ehrungen zu diesem Termin können die wachsenden Krisen nur kurz vergessen machen …

Der 60. Geburtstag des Oberleiters der Wiener Staatsoper wird in der ersten Mai-Hälfte 1924 nicht nur an seinem Theater gefeiert (u. a. mit der Uraufführung von "Schlagobers"), sondern auch mit zahlreichen Festkonzerten und der Überreichung der Ehrenbürgerwürde der Stadt an Richard Strauss begangen.
 

Nach der Demission Erfolg in Dresden mit „Intermezzo“

Knapp ein halbes Jahr später demissioniert Strauss: Franz Schalk hat mit seiner Vertragsverlängerung umfangreichere Kompetenzen erhalten, Strauss überlässt ihm (nicht ohne Groll) die Gesamtführung der Staatsoper. Zum Zeitpunkt seiner Demission hält sich der Komponist in Dresden auf, wo seine Oper "Intermezzo" im Oktober 1924 uraufgeführt wird. Hermann Bahr lehnte den Vorschlag, das Libretto zu dieser autobiographischen Komödie zu schreiben, ab ("Es ist ja Ihr Stück") – und Strauss dichtet selbst. Nach dem Erfolg der Oper plant der Komponist gar einen mehrteiligen Zyklus, betitelt "Die Frau", denn "… aus meiner Frau kann man zehn Stücke machen".

Leichtere Töne in der Zwischenkriegszeit

In den 1920-er Jahren arbeitet das „Wunderteam“ Strauss-Hofmannsthal an leichteren Stoffen, an musikalischen Lustspielen: „Die Ägyptische Helena“ und „Arabella“ entstehen. Als Hofmannsthal 1929 stirbt, findet Strauss in Stefan Zweig wieder einen kongenialen Dichter: Mit ihm schafft er die „Schweigsame Frau“. Wie sehr diese Beziehung ihn und seine Familie gefährden wird, ahnt er zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Als musikalischer Leiter der "Intermezzo"-Erstaufführung kehrt Strauss in der Saison 1926/27 an die Wiener Staatsoper zurück. Für die Überlassung des Eigentumsrechtes am Grundstück in der Jaquingasse verpflichtet sich Strauss zu 100 unentgeltlichen Dirigierabenden an der Staatsoper, und zur Überlassung der Handschrift seiner neuesten Oper: "Die Ägyptische Helena".
 

Zwei letzte Opern mit Hofmannsthal

1923 tauchen, etwa zur selben Zeit, zwei neue Opernpläne auf: "ein spätantikes, graziöses, auch etwa ein wenig freches Lustspiel" (Hofmannsthal) und ein "zweiter Rosenkavalier, […] etwas Feines, Lustiges und Gemütvolles" (Strauss). "Die Ägyptische Helena" und "Arabella" sollten die beiden letzten Opern des Künstlergespanns werden.
 
Die aufwühlend moderne Tonsprache einer "Elektra" ist Strauss bereits ferne gerückt; vielmehr "bemüht sich die Musik [der Helena] einer edlen griechischen Haltung". Das Werk wird am 6. Juni 1928 in Dresden unter Fritz Busch uraufgeführt und wenige Tage darauf an der Wiener Staatsoper unter der Leitung des Komponisten nachgespielt.
In der Zwischenkriegszeit dürfen es auf der Bühne leichtere Töne – und leichtere Bekleidung – sein.


Erste Auswirkungen der Nazi-Herrschaft

Die wienerische Komödie (die Autoren sprechen sogar von einer "Operette") "Arabella" folgt am 1. Juli 1933. Busch hat sein Amt als Dresdner Generalmusikdirektor verlassen, er weicht, wie so viele, dem neuen Regime, das in Deutschland die Macht an sich gerissen hat. Der Textdichter erlebt die Vollendung der "Arabella" nicht mehr: Hugo von Hofmannsthal ist 1929 verstorben. Strauss findet – was er kaum zu hoffen wagte – in Stefan Zweig abermals einen kongenialen Dichter. Zunächst will der 70-jährige nicht einsehen, dass diese Zusammenarbeit – die "Schweigsame Frau" entsteht – ihn und seine Familie (die Enkel Richard und Christian wurden 1927 bzw. 1932 geboren) in Gefahr bringt …
„Was man von anderen Künstlern vielleicht kennt, diese Atmosphäre: ‚Ruhe, der Meister komponiert’, gab es bei uns nicht.“ (Enkel Richard Strauss)

Nazi-Zeit: Zwischen Abgrenzung und Anbiederung

Noch 1933 wird Strauss in Berlin zum Präsidenten der Reichsmusikkammer ernannt. Es folgen zwiespältige Jahre. Strauss setzt sich mit seinem Kampf gegen den Arierparagraphen bei Hitler nicht durch und bringt Goebbels durch seine Beziehung mit Zweig gegen sich auf. Andererseits komponiert er die „Olympische Hymne“ für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. In Wien stehen er und seine „jüdisch versippte“ Familie unter dem Schutz von Gauleiter Baldur von Schirach. Strauss komponiert seine letzten beiden Opern, „Die Liebe der Danae“ und „Capriccio“ - und erlebt nach Kriegsende und der Flucht in die Schweiz 1945 erneut einen finanziellen Ruin.
Ende 1933 nimmt der bedeutendste deutsche Komponist das Präsidentamt der Reichsmusikkammer an, "um Gutes zu tun und größeres Unglück zu verhüten" – eine Portion politische Kurzsichtigkeit und Egoismus des Schöpfers spielen wohl auch mit. Allerdings kämpft Strauss gegen den Arierparagraphen und für eine gezielte Kunstförderung, womit er bei Hitler abblitzt.
 

Erste Konflikte mit den Nazis

Joseph Goebbels, der nationalsozialistische Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda und Leiter der Reichskulturkammer, misstraut ihm, die Gestapo kontrolliert seine Briefe – darunter einen an Stefan Zweig, der mit Ausfällen gegen das Nazi-Regime gespickt ist. Dass Strauss bei der Dresdner Uraufführung der "Schweigsamen Frau" am 24. Juni 1935 in Dresden auf die Nennung des jüdischen Textdichters Zweig auf dem Abendplakat besteht, bringt die Oper um ihren Erfolg und kostet ihn sein "Ehrenamt".
 
Eine zwiespältige Periode bricht an: Versuchen der Abgrenzung gegen das Regime folgen jene der Anbiederung (im Auftrag des Olympischen Komitees schreibt Strauss 1936 für Berlin die "Olympische Hymne" und leitet die Uraufführung selbst). Über allem jedoch steht die Sorge um seine nach Nazi-Terminologie "jüdisch versippte" Familie.
 
Zweig empfiehlt Joseph Gregor als Textdichter, der zunächst das von ihm entworfene Libretto zu "Friedenstag" ausarbeitet. Die Uraufführung findet am 24. Juli 1938 in München statt. Am 15. Oktober folgt die bukolische Tragödie "Daphne" in Dresden, ebenfalls auf ein Buch von Gregor.
 

Strauss in Wien unter dem Schutz von Gauleiter Baldur von Schirach

Den Großteil der Kriegsjahre verbringt Strauss in Wien, wo er der Familie näher ist und mit ihr unter dem Schutz des Gauleiters Baldur von Schirach steht. Hier werden auch der 75. (1939) und 80. Geburtstag (1944) ausgiebig gefeiert, während Berlin schon die Order ausgegeben hat, dass der "persönliche Verkehr unserer führenden Männer" mit dem greisen Komponisten zu unterbleiben hat. Goebbels und Strauss können die gegenseitige Verachtung füreinander nicht verhehlen, aber "das Bübchen von Minister" sitzt auf dem längeren Ast …
Richard 1944 mit Karl Böhm, Clemens Krauss und anderen.

Letzte Opern: „Die Liebe der Danae“ und „Capriccio“

Neben Gelegenheitskompositionen, wie der "Japanischen Festmusik" 1941, entstehen auch die letzten Opern "Die Liebe der Danae" und "Capriccio", letztere in enger Zusammenarbeit mit Clemens Krauss, der das Textbuch verfasst und die Münchner Uraufführung am 26. Oktober 1942 leitet. "Mit "Capriccio" ist mein Lebenswerk vollendet", schreibt Strauss. In Garmisch schreibt er alte Partituren ab, um Wertgegenstände für die Enkel zu schaffen.
 


Flucht in die Schweiz, finanziell ruiniert

Doch die Trauer um die zerstörte Heimat lässt ihn weiter komponieren: die "Metamorphosen", eine tiefgründige Klagemusik, entstehen als Auftragswerk Paul Sachers. Eine andere Anregung kommt von dem amerikanischen Besatzungssoldaten und Oboisten John de Lancie – das Oboenkonzert entsteht im Oktober 1945, bereits in der Schweiz, wohin er und Pauline sich aus der Not flüchten.
 
Wie nach dem Ersten, so findet sich Strauss auch nach dem Zweiten Weltkrieg ruiniert: Die Tantiemen im Ausland sind gesperrt, das Musikleben in Deutschland und Österreich liegt brach. In der Schweiz findet er freundliche Aufnahme bei Freunden und Bekannten.

1949 stirbt Strauss 85-jährig in Garmisch

Kurz vor seinem Tod 1949 in Garmisch erlebt Strauss noch einmal Ruhm und Anerkennung: In London wird 1948 ein Strauss-Fest veranstaltet, München bereitet ihm zum 85. Geburtstag 1949 zahlreiche Ehrungen. Der betagte Künstler komponiert noch einige Lieder, schreibt aber vor allem sein „künstlerisches Vermächtnis“. Den Nachlass des meistaufgeführten „klassischen“ Komponisten verwaltet die Familie, das Richard-Strauss-Institut in Garmisch-Partenkirchen und die jährlichen Strauss-Tage halten die Erinnerung an den großen Musiker lebendig.
Anlässlich eines von Sir Thomas Beecham in London organisierten Strauss-Festes wird ihm auch wieder Ruhm und Anerkennung zuteil. Der Sohn besucht Richard und Pauline 1948 in Montreux und rät ihm, statt Briefen wieder Musik zu schreiben – so entstehen die "Vier letzten Lieder", die erst postum uraufgeführt werden.
 

Kurz vor dem Tod Ehrungen in München

Im Mai 1949 kehrt das Ehepaar heim nach Garmisch. München bereitet Strauss zum 85. Geburtstag verschiedenste Ehrungen. Im Prinzregententheater dirigiert er das Finale des 2. Aktes "Rosenkavalier", und am 13. Juli leitet er im Münchner Funkhaus die Mondscheinmusik aus "Capriccio" – das letzte Auftreten als Dirigent. Eine letzte Skizze auf Worte von Hermann Hesse sind sein Vermächtnis: "Göttlich ist und ewig der Geist".
 
Am 8. September 1949 schließt Richard Strauss in seiner Garmischer Villa für immer die Augen. Das Begräbnis findet auf dem Münchner Ostfriedhof statt. Die Witwe ist gebrochen: "Ich habe nie geahnt, dass ein Mensch so viel weinen kann", erinnert sich Schwiegertochter Alice. Pauline folgt ihrem Mann am 13. Mai 1950.
 

„Künstlerisches Vermächtnis“

Unter diesem Titel bekanntgeworden ist ein umfangreicher Brief, den Richard Strauss an den Vertrauten Karl Böhm im April 1945 schrieb. Darin findet sich auch der "Spielplan eines Opernmuseums", auf das "die gebildete Welt denselben Anspruch hat, wie an die Pinakothek oder den Prado und Louvre". An die Erneuerung der Oper glaubte der 80-Jährige nicht mehr, aber dass ihre Meisterwerke es wert sind, bewahrt zu werden.
Bis ins hohe Alter ist Richard ein aktiver Musiker.
Der Nachlass des Meisters selbst wird zum größten Teil im Garmischer Haus aufbewahrt. Die Schwiegertochter Alice, die bereits zu Lebzeiten des Komponisten eine unentbehrliche Mitarbeiterin für Richard Strauss gewesen ist, pflegt das Archiv bis zu ihrem Tode 1991. Seitdem wird diese Aufgabe von den Enkeln und insbesondere von Richards Frau Gabriele Strauss-Hotter (der Tochter des grossen Strauss-Interpreten Hans Hotter, der u. a. an den Uraufführungen von "Friedenstag" und "Capriccio" mitgewirkt hatte) wahrgenommen. Zusätzlich existieren in Garmisch-Partenkirchen das Richard Strauss-Institut sowie die jährlich abgehaltenen Richard Strauss-Tage.

Ohne seine Werke sind die Spielplänen der Musikinstitutionen in aller Welt nicht vorstellbar. Die Popularität vieler seiner Opern, Orchesterstücke und Lieder machen Richard Strauss – über 50 Jahre nach seinem Tode – zum meistaufgeführten "klassischen" Komponisten des 20. Jahrhunderts.
 

Links:

www.richard-strauss-institut.de
www.richard-strauss-festival.de